Die Tätigkeit im Restaurant Zollhaus gibt Taoufik Hakim die Möglichkeit, zu zeigen, was in ihm steckt. Dank offener Zusammenarbeit entsteht so echte Teilhabe – mit Verantwortung, Vertrauen und einem festen Platz im Alltag.
Wir sitzen entspannt im Biergarten des Zollhauses, eines beliebten Ausflugziels am Anleger der Rhein-Fähre Neuburgweier. Die Sonne scheint und wir sehen die Schiffe vorbeiziehen. Taoufiks hat seine Aufgaben erledigt, und vor ihm steht sein Mittagessen: eine große Portion Pommes und eine Cola – die Anerkennung, auf die er sich schon den ganzen Morgen gefreut hat.
Heute begleite ich Danko Marinkovic und Taoufik Hakim aus dem Förder- und Betreuungsbereich (FuB) Neureut, um mir anzusehen, wie arbeitsweltbezogene Teilhabe für Menschen mit komplexen Einschränkungen funktionieren kann. Die beiden kommen seit drei Monaten ein Mal pro Woche hierher, um das Altglas zu entsorgen.
Am Morgen. Wir melden uns kurz an und gehen weiter zum Getränkelager des Zollhauses. Das Tor steht offen, das war´s. Früher wurde der Einsatz für Taoufik vorbereitet, mittlerweile erledigt Taoufik seine Aufgabe selbstverständlich und selbstständig in einem Bereich, der für Gäste nicht zugänglich ist. Für Danko ist das ein Zeichen von Vertrauen und Respekt.
Taoufik legt los. Routiniert schnappt er sich eine Sackkarre und beginnt die Kisten, in denen das Altglas gesammelt wird, auf der Karre zu stapeln. Dann schiebt er sie zu unserem Auto und belädt den Kofferraum. „Er ist da Vollprofi,“ sagt Danko, der meist danebensteht und beobachtet. Er selbst bezeichnet sich „nur als der Fahrer und Hinweisgeber“. Bei Bedarf ist er auch Vermittler, da Taoufik nicht spricht und sich nur mit Mitteln der Unterstützten Kommunikation verständigen kann. Taoufik denkt mit, prüft, ob die Kisten richtig gestapelt sind und weiß, was als Nächstes zu tun ist. Wir steigen ins Auto, Taoufik dreht das Radio auf, denn mit Musik geht alles besser und wir fahren die kurze Strecke zu den Altglas-Containern am Rand von Neuburgweier. Taoufik sortiert schnell und konzentriert nach Farben und wirft das Glas in die entsprechenden Behälter. Wie so oft ist auch heute eine zweite Tour nötig, dann ist alles entsorgt. Für Taoufik ist es wichtig, am Ende zu wissen, wie viele Kisten es waren – so kann er genau benennen, was er geleistet hat. Heute waren es 16.
„Taoufik freut sich immer, wenn wir hierherkommen.“ meint Danko. „Er fährt gerne Auto, liebt seine Aufgabe dort und den Körpereinsatz.“ Und vor allem, er sieht einen Sinn in dieser Tätigkeit. Dankos Aufgabe besteht vor allem daraus, aufzupassen, dass Taoufik sich nicht überfordert. Er ist zwar immer motiviert und mit vollem Einsatz dabei, will manchmal aber zu viel machen oder ist in einer schlechten Tagesform. Dann muss Danko eingreifen, in dem er eine Pause einlegt oder wenn nötig, abbricht.
Der Kontakt zum Zollhaus kam über persönliche Beziehungen zustande. Für Inhaberin Marina Müller ist soziale Verantwortung wichtig; sie war daher sofort offen für die Idee: „Kommt vorbei, wir schauen, was wir für euch haben.“ Ihr Fazit: „Das hilft uns wirklich, wir müssten sonst jemanden für die Entsorgung abstellen.“
Menschen mit komplexen Behinderungen, die in der Regel den ganzen Tag in Sonderwelten unterwegs sind – in besondere Wohnform, im Bus des Fahrdienstes, im FuB – werden mit Hilfe solcher Kooperationen sichtbar und erfahren durch diese Aktionen gesellschaftliche und soziale Teilhabe.
Ich wünsche mir mehr solcher Orte wie das Zollhaus. Und mehr Menschen wie Marina Müller, die sagen: „Kommt einfach mal vorbei.
Wer tiefer ins Thema einsteigen möchte:
Auf Arbeit als Wegbereiter zur Teilhabe am Sozialraum – HWK gibt einen Blog-Beitrag über arbeitsweltbezogene Teilhabe für Menschen mit komplexen Behinderungen.
Text und Foto: Sigrid Hohn