Selbstbestimmt in den Ruhestand

Die Zahl von Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung, die das Rentenalter erreichen, steigt stetig – nicht zuletzt aufgrund der medizinischen Möglichkeiten. Einrichtungen der Behindertenhilfe wie die HWK gGmbH sind daher seit einigen Jahren gefordert, ihre Strukturen, Prozesse und Angebote für diese Zielgruppe anzupassen und auszurichten.

Dazu gehören die Anpassung der Arbeitsbedingungen in den Werkstätten an die Erfordernisse der älteren Beschäftigten, ihre rechtzeitige Vorbereitung auf den Renteneintritt und die individuelle Gestaltung des Ruhestands unter Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen.

Was heißt das konkret?

Menschen mit geistiger Behinderung

Viele Menschen mit geistiger Behinderung sind auch im Alter recht gesund und selbstständig. Die Schwere der Behinderung und behinderungsbedingte Erkrankungen beeinflussen allerdings den Alterungsprozess. So treten altersbedingte Veränderungen vor allem bei Menschen mit Down-Syndrom oft deutlich früher auf. Das hat Auswirkungen auf die Vitalität, den Antrieb und das Tempo, die Kraft und Ausdauer, die Reaktionsfähigkeit und Konzentration, sowie auf das Gedächtnis- und Lernvermögen. Daraus ergeben sich wiederum neue Bedürfnisse hinsichtlich der Begleitung in den Bereichen Arbeiten und Wohnen.

Die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden beginnt in der HWK bereits mit dem 55. Lebensjahr. Insbesondere dann, wenn altersbedingte Veränderungen Anpassungen im gewohnten Ablauf erforderlich machen. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen und Arbeitsabläufe individuell so zu gestalten, dass die älteren Beschäftigten möglichst lange aktiv am Produktionsprozess teilnehmen können.

Spätestens ab dem 60. Lebensjahr wird das Thema Älterwerden zusammen mit dem Beschäftigten im Rahmen der „Persönlichen Teilhabeplanung Arbeit“, bzw. der „Förderplanung im F+B Bereich“ thematisiert.

In einem internen Feststellungsverfahren wird der Bedarf an altersbegleitenden Angeboten (ABA) ermittelt. Diese tragen dem verstärkten Bedürfnis älterer Beschäftigter nach Pause und Regeneration Rechnung. So ist es möglich, stundenweise aus dem Produktionsprozess auszusteigen, sich zu erholen und sich kreativ zu betätigen.

Menschen im Förder- und Betreuungsbereich (FuB)

Da es gerade bei älteren Menschen mit einer schweren Mehrfachbehinderung nicht einfach ist, Veränderungen, Wünsche und Bedürfnisse eindeutig festzustellen, ist eine Kooperation aller anderen Betreuungsbereiche umso wichtiger. Ziel ist es, sich gemeinsam eine differenzierte Sicht auf die aktuelle Situation zu verschaffen, und geeignete Maßnahmen zu entwickeln.

Eine weitere Herausforderung, die sich der FuB zu stellen hat, ist die Begleitung älterer Menschen, die über einen längeren Zeitraum im Arbeitsbereich tätig waren und aus altersbedingten bzw. gesundheitlichen Gründen in den FuB wechseln.

Angebote für Senioren im Bereich HWK Wohnen

Die Reduzierung der Arbeitszeit bzw. der Wegfall der Arbeit verändern auch die Strukturen innerhalb der Wohnangebote. Dienstzeiten und Arbeitsinhalte in der Wohnbegleitung mussten, bzw. müssen immer wieder angepasst werden. Gemeinsam mit den älteren Nutzer*innen der Wohnangebote wird eine Planung für den Ruhestand erarbeitet, wobei Wert auf gut gestaltete Übergänge in die neue Lebensphase gelegt wird. Neben Ermutigung und Unterstützung sind Impulse wichtig, damit die Senior*innen unabhängig von Art und Schweregrad der Behinderung, die Gestaltung ihres Ruhestands selbst in die Hand nehmen können.

Neben der Seniorentagesstätte in der Julius-Bender-Straße, wird zwischenzeitlich in vier weiteren Besonderen Wohnformen werktäglich eine Seniorenbetreuung angeboten. Eine weitere befindet sich aktuell im Aufbau. Neben dem Angebot einer Tagestruktur und sozialen Kontakten, ist in der Seniorentagesbetreuung auch die angemessene Versorgung mit Mahlzeiten und gegebenenfalls pflegerischen Maßnahmen gewährleistet. Zahlreiche weitere altersrelevante Themen wie z.B. die Beschäftigung mit der eigenen Lebensgeschichte oder die Trauerarbeit werden im Alltag thematisiert und auf Wunsch auch intensiver bearbeitet.

Daneben gibt es zwischenzeitlich zahlreiche Senior*innen, die ihren Ruhestand in ihrem Zuhause selbstbestimmt und eigenständig gestalten. Die hierfür erforderliche Wochenstrukturierende Unterstützung erhalten die Senior*innen in der Regel zusätzlich zur Wohnbegleitung.

Menschen mit psychischer Erkrankung

Das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben führt bei Menschen mit einer psychischen Behinderung häufig zu gravierenden Einbußen an sozialen Kontakten und Unterstützernetzwerken, und an Möglichkeiten zur Gestaltung der Tagesstruktur. Da dies nicht selten eine Lebenskrise auslösen kann, ist es wichtig, die Beschäftigten frühzeitig zu unterstützen, und Perspektiven für die Zeit nach dem Eintritt in den Ruhestand zu entwickeln. Der zuständige begleitende Sozialdienst thematisiert daher mit den Werkstattbeschäftigten frühzeitig das Thema Übergang in den Ruhestand.