Ist der Lohn in der Werkstatt gerecht?
Ein Erklärungsversuch in Einfacher Sprache

Werkstätten für Menschen mit Behinderung machen genauso gute Arbeit, wie Unternehmen in der Industrie. Warum ist der Lohn in der Werkstatt dann viel niedriger als in einem Betrieb auf dem allgemeinen Arbeits-Markt?

In einer Werkstatt arbeiten Menschen mit einer wesentlichen Behinderung. Wesentliche Behinderung heißt: Die Behinderung muss so stark sein, dass der Mensch nicht mehr als drei Stunden am Tag in einem normalen Betrieb arbeiten kann. Dann hat er ein Recht auf Berufliche Bildung und Arbeit in einer Werkstatt.

In der Werkstatt hat er die gleichen Rechte wie jeder Arbeit-Nehmer, also das Recht auf Urlaub, Teilzeit und Mutter-Schutz. Und er hat das Recht auf Berufliche Bildung, Förderung und Therapie. Aber er hat nicht die gleichen Pflichten wie ein Arbeit-Nehmer. Er muss zum Beispiel keine bestimmte Leistung bringen. Er hat mehr Pausen. Und er darf nicht einfach gekündigt werden.

Wie hoch der Lohn in einer Werkstatt ist, steht im Gesetz. Das heißt, die Werkstatt kann nicht selbst entscheiden, wie viel Lohn sie an die Beschäftigten mit Behinderung bezahlt. Das steht im Gesetz: Die Werkstatt muss 70 Prozent von dem, was die Beschäftigten mit Behinderung mit ihrer Arbeit erwirtschaften, als Lohn auszahlen. 70 Prozent ist viel mehr als die Hälfte. Den Rest muss die Werkstatt für Sachen ausgeben, die der Arbeit von den Menschen mit Behinderung nützen. Der Rest darf zum Beispiel nicht für den Lohn vom Geschäfts-Führer genommen werden. Der Lohn für den Geschäfts-Führer, die Gruppen-Leiter oder den Sozial-Dienst werden aus dem Pflege-Satz bezahlt. Den Pflege-Satz bezahlt der Träger von der Eingliederungs-Hilfe. Der Träger von der Eingliederungs-Hilfe ist die Stadt oder der Land-Kreis Karlsruhe. Die HWK bezahlt bis zu hundert Prozent. Also alles, was die Beschäftigten erwirtschaften, wird als Lohn bezahlt.

Das heißt, die Beschäftigten mit Behinderung verdienen genau das, was sie mit ihrer Arbeit erwirtschaftet haben. Der Lohn in einer Werkstatt liegt im Durchschnitt bei 200 Euro im Monat. Der Lohn ist so niedrig, weil die Werkstatt für alle Menschen mit Behinderung Arbeit anbieten muss. Also auch für Menschen, die wegen ihrer Behinderung nicht viel und schnell arbeiten können. Das heißt, die Werkstatt organisiert die Arbeit so, dass alle mitmachen können. Das Ergebnis muss genauso gut sein, wie in einem Betrieb auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Aber es braucht dafür mehr Schritte, mehr Zeit und mehr Beschäftigte.

Von 200 Euro kann keiner leben. Deshalb haben Beschäftigte mit Behinderung in der Werkstatt Anspruch auf Leistungen zum Lebens-Unterhalt (zum Beispiel durch Grund-Sicherung oder EU-Rente). Und der Staat bezahlt für sie die Beiträge für die Kranken-Kasse und die Renten-Versicherung. Wenn Beschäftigte mit Behinderung 20 Jahre in einer Werkstatt tätig waren, bekommen sie genauso viel Rente, wie ein Durchschnitts-Verdiener auf dem allgemeinen Arbeits-Markt.

Manche Beschäftigte mit Behinderung in der Werkstatt sagen: Wir wollen so viel verdienen, dass wir davon leben können und kein zusätzliches Geld vom Staat. Deshalb prüft die Bundes-Regierung, wie man das Gesetz so ändern kann, dass die Werkstatt Mindest-Lohn an alle bezahlt. Das sagt Michael Auen, der Chef von der HWK dazu: „Wir finden es gut, wenn die Werkstatt Mindest-Lohn bezahlt. Allerdings muss der Staat den Werkstätten das fehlende Geld dafür geben.“

Der Werkstatt-Rat hat eine andere Idee: “Wir fordern ein Basis-Geld. Das Basis-Geld bezahlt der Staat. Das Basis-Geld soll 70 Prozent vom Durchschnitts-Lohn in Deutschland betragen. Der Vorteil vom Basis-Geld ist: Das Basis-Geld bekommt jeder Beschäftigte in einer Werkstatt, egal, wie viel und gut er arbeitet. Das Basis-Geld gibt es an Stelle von Grund-Sicherung.“ Das sagt Jörg Bendler, Vorsitzender vom Werkstatt-Rat der HWK.

Das ist wichtig: Alle Menschen mit einer wesentlichen Behinderung haben ein Recht auf Bildung und Arbeit in einer Werkstatt. Keiner muss sein Leben lang in einer Werkstatt arbeiten. Die Werkstatt hat die Aufgabe, die Beschäftigten mit Behinderung zu fördern. Wer auf dem allgemeinen Arbeits-Markt tätig sein möchte, bekommt Unterstützung von der Werkstatt. Wer aber in der Werkstatt bleiben möchte, hat ein Recht darauf, bis zur Rente dort zu arbeiten.