Ein großer dunkler Raum, dichtgepackt mit Menschen. Die Regel, ruhig und möglichst bewegungslos auf dem Sitzplatz zu verharren, und das für eine gefühlte Ewigkeit. Schwerverständliche und möglicherweise belastende Inhalte, denen man kaum folgen kann…

Diese Vorstellung haben viele Menschen von einer Theateraufführung, sei es infolge eigener Erfahrung oder nur durch Hörensagen. Die Konsequenz ist, dass sie nicht ins Theater gehen. Das betrifft insbesondere auch Menschen, denen aufgrund chronischer Erkrankungen, Behinderungen oder Alter die Erfahrung ein Theaterbesuch unter „normalen“ Bedingungen verwehrt bleibt.

Das Badische Staatstheater Karlsruhe sieht das anders: „Ein Besuch in unserem Theater soll für alle Menschen eine wunderbare Zeit sein.“. Seit Ende 2023 gibt es das Konzept „Staatstheater Entspannt“, das Teilhabe auch auf kultureller Ebene voranbringen will. „Wir möchten ein Angebot für alle Menschen schaffen, die sich gern in einer inklusiveren Umgebung aufhalten.“

Und das erreicht man, in dem man viele „Regeln“ außer Kraft setzt: Bereits eine Stunde vor Beginn der Vorstellung kann man den Saal betreten, der die ganze Zeit minimal beleuchtet ist. Da nicht alle Sitzplätze gebucht werden können, ist auch mehr persönlicher Freiraum vorhanden und viel Platz für Gemütlichkeit. Eine Kleiderordnung gibt es nicht, und es steht den Besuchern frei, ob sie sitzen, stehen oder gar liegen wollen. Reden und Bewegungen sind erlaubt, und man kann jederzeit gehen und wiederkommen. Außerhalb des Theatersaals gibt es Rückzugsmöglichkeiten, und im Saal sind immer Ansprechpersonen vorhanden. Auch Assistenzhunde sind willkommen.

Bereits im Vorfeld kann man auf detaillierte Informationen zurückgreifen – vor allem online und auch in Leichter Sprache – und so entscheiden, ob ein Stück in Frage kommt. Neben Angaben zur Barrierefreiheit findet man gegebenenfalls auch Trigger-Warnungen, d.h. Hinweise auf sensible Inhalte oder sensorische Reize wie z.B. Lichteffekte.

Die „entspannten“ Vorführungen bilden das gesamte Spektrum eines Theaters ab. Neben Theaterstücken umfasst das Angebot Live-Hörspiele, Kammerkonzerte, Ballett und Oper. So ist für 2024 die Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ angekündigt.

Das Staatstheater hofft, mit diesem Angebot die Hemmschwelle vieler zu senken und einen Theaterbesuch attraktiver zu machen, vor allem für Menschen, die einen Theaterbesuch bisher nicht in Betracht bezogen haben.

Am 14. März 2024 stellte Julia Tedesco, Theaterpädagogin für die Sparten „Ballett“ und „Junges Staatstheater“, das Konzept des „Theater entspannt“ dem Werkstattrat der HWK vor. Dem folgte am 26. März der Besuch einer „entspannten“ Vorstellung im INSEL-Theater, der Spielstätte des „Jungen Staatstheaters“. Das Stück „War da was?“ hatte zwar die „Allerkleinsten“ ab drei Jahren als Zielgruppe, Spaß hatten die Werkstatträte trotzdem.

Bei der sich anschließenden Feedback-Runde mit Julia Tedesco waren sich die Werkstatträte einig, dass die Bedingungen eines „entspannten Theater“ vielen den Besuch einer Vorführung erleichtern. Doch die angepasste Umgebung allein reiche nicht für alle aus. „Gerade Menschen mit intellektuellen Einschränkungen wollen nicht unbedingt in Stücke für Kindergarten- und Grundschulkinder gehen. Wir sind schließlich alle erwachsen“, so Monika Klär., Vertrauensperson des Werkstattrats. „Aber auch die Stücke für Erwachsene sind nicht unbedingt passend, zumindest nicht in der Originalform. Es wäre toll, wenn es für die Gruppe der Menschen mit intellektuellen Einschränkungen auch Stücke geben würde!“.

Feedback und Anregungen sind vom Staatstheater ausdrücklich erwünscht. Und wer auf den Geschmack gekommen ist, kann im Rahmen des „Volkstheaters“ selbst auf der Bühne stehen.

Übrigens. Im Anschluss an die Präsentation am 14.März daran hatten Jörg Bendler, Matthias Höfle, Andreas Kulik, Paolo Di Bono, Tillmann Kappel, Kai Polefka und Monika Klär die Gelegenheit im Rahmen eines Workshops selbst etwas Theaterluft zu schnuppern. Es kostete schon etwas Überwindung zu improvisieren und Mimik und Gestik bewusst einzusetzen, vor allem da man von den anderen dabei beobachtet wurde. Doch am Ende war es für alle eine schöne Erfahrung.

Autorin: Sigrid Hohn

Foto: Monika Klär
„Die Werkstatträte Matthias Höfle, Jörg Bendler und Tillmann Kappel beim Theater-Workshop.“