Personzentriertes Arbeiten als Haltung
Personenzentrierung in der Behindertenhilfe ist in aller Munde. Was mit dem Begriff gemeint ist und welche Bedeutung personzentriertes Arbeiten bei den Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften Karlsruhe gGmbH (HWK) künftig haben wird, war Thema eines Fachtags im Oktober. Die HWK hatte anlässlich ihres 60ten Bestehens Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Werkstatt, Förder- und Betreuungsbereich und Wohnen in die Buhlsche Mühle nach Ettlingen eingeladen.

Dass Personzentriertes Arbeiten weniger eine Methode, sondern zuvorderst eine Haltung ist, machten die Referent*innen der Veranstaltung in ihren Impulsen am Vormittag deutlich. Der bisherige Fokus auf die Beeinträchtigung der Person und ihren Förderbedarf sei zu verändern auf den Menschen mit seinen Eigenschaften und Stärken, Ressourcen und Bedürfnissen, Ideen und Wünschen und seinen individuellen Eigenheiten. Damit gehe es um die Stärkung der Person und nicht darum, sie „passend“ für unsere Einrichtungen zu machen. Oder wie es die Schweizerin Marlies Pörtner in ihrem vielfach übersetzen Buch „Ernstnehmen, Vertrauen, Verstehen“ ausdrückt: „ Wir sollten nicht von Vorstellungen ausgehen, wie Menschen sein sollen, sondern davon, wie sie sind und von den Möglichkeiten, die sie haben.“ Damit seien die Fachleute weniger als Expert*innen, sondern als Menschen, die zuhören und sich einfühlen können, gefragt.

Prof. Dr. Sandra Fietkau von der Evangelischen Ludwigsburg erläuterte in ihrem Vortrag auf Grundlage dieser Haltung die vier Dimensionen personzentrierten Handelns: Zunächst gehe es um die Stärkung der Person mit ihren Gaben und Interessen, beispielsweise im Rahmen der persönlichen Zukunftsplanung. In einem zweiten Schritt sei zu schauen, wo es in der näheren Umgebung Orte gäbe, an denen die Person mit ihren Gaben gefragt und willkommen sei – in der Fachwelt spricht man hier auch von „Sozialraumorientierung“. Wie sich die eigene Organisation weiterentwickeln müsste, um personzentriert und sozialraumorientiert zu arbeiten, sei der dritte Schritt, um sich dafür dann die passenden Verbündeten und Partner zu suchen. Hier würde das Bürgerschaftliche Engagement eine besondere Rolle spielen.

Was das für die Praxis in der Werkstatt bedeutet, machte Heinz Becker, bundesweiter Experte in Sachen Personzentrierung, in seinem Impuls deutlich (siehe Bericht auf Seite 8).
Bernd Ullmann und Simon Frehner, Bewohner der bundesweit ältesten inklusiven WG in München und Tandem von Wohn:Sinn, dem Bündnis für inklusives Wohnen, berichteten, was Personzentrierung in ihrem WG-Alltag bedeute. Entscheidungen würden grundsätzlich gemeinsam getroffen, WG-Dienste beträfen alle Bewohner mit und ohne Handicap gleichermaßen und die Fachkraft habe vor allem administrative Aufgaben und bereichere die WG mit ihrem „Blick von außen“.

Ihre Resonanz auf die Impulse diskutierten die HWKler in Workshops am Nachmittag, die in gemeinsam formulierten Kernthesen mündeten: dazu gehört die Etablierung der Sozialraumorientierung als Standard und ein entsprechendes Weiterbildungsangebot an die Belegschaft, eine Neukonzipierung des Förder- und Betreuungsbereichs und mehr Transparenz und Kommunikation darüber, was die HWK tut. Vor allem aber eine personorientierte Haltung, aus der heraus die Menschen gefragt werden, „worauf sie Bockhaben.“